Rein optisch macht es die Gitarre einem nicht gerade leicht Töne zu erkennen. 6 lange Drähte über 12 oder noch mehr kleine Drähte gespannt, ein verwirrendes System aus Saiten und Bünden. Alles sieht irgendwie gleich aus, ist es aber nicht. Jedes Feld, also jeder Bund in den man greift, entspricht einem anderen Ton, also auch einer anderen Note auf dem Notenblatt. Auf einer Klaviertastatur gibt es 8 mal den Ton C. Trotzdem sind alle C-Töne unterschiedlich. Es gibt tiefe Töne und hohe Töne mit dem Namen C. Auf einer Gitarre gibt es ein beispielsweise mittleres C bis zu 5 mal. Man hat also fünf verschiedene Möglichkeiten, ein und denselben Ton auf dem Griffbrett zu spielen. Es dauert sehr lange, bis man als Gitarrist – was das Lesen von Noten betrifft – den vollen Überblick über das Griffbrett bekommt.

Hier kommt die Tabulatur ins Spiel. Statt 5 Linien, wie bei der Notenschrift, sieht man hier gleich 6 Linien. Jede Linie steht für eine Gitarrensaite. Die oberste Linie entspricht der hohen E-Saite, die unterste Linie der tiefen E-Saite. Die Zahlen auf den Linien beziffern die Bünde, in denen gegriffen wird. Steht beispielsweise auf der obersten Linie die Zahl 11, wird auf der hohen E-Saite im 11. Bund gegriffen. Einfacher geht es nicht. Auf diese Weise kann man bereits in der ersten Gitarrenstunde überall auf dem Griffbrett spielen. Striche, die vertikal durch die Saiten laufen sind Taktstriche.

Nahezu die gesamte Spielliteratur für E-Gitarre, zu einem großen Teil auch die für akustische Gitarre, ist in Tabulaturform erhältlich. Meistens stehen jeweils zwei Systeme untereinander. Oben die Noten, darunter die Tabulatur. Notenwerte werden in Tabulaturen so dargestellt, dass an die Zahl ein Notenhals angehängt wird, der den entsprechenden Notenwert repräsentiert. Es gibt jedoch auch Tabulaturen ohne Darstellung eines Notenwertes. Hier muss man den Notenwert im oberen System, also den Noten ablesen.

Wer jetzt denkt, das Tabulatursystem ist eine Erfindung fauler Rockmusiker, liegt völlig falsch. Tabulaturen gibt es ungefähr seit dem 13. Jahrhundert. Musik für Laute, die Mutter aller Gitarren, wurde ursprünglich ausschließlich in Tabulaturform aufgeschrieben.

Wenn das Spielen nach Zahlen so einfach ist, warum sollte man als Gitarrist auf die verrückte Idee kommen Noten zu lernen? Wenn man ausschließlich mit anderen Gitarristen oder Bassisten kommunizieren möchte, ist es egal. Kommen Pianisten, Keyboarder, Saxofonisten oder wer auch immer ins Spiel wird es schwierig. Diese Menschen können in der Regel keine Tabulaturschrift lesen, denn sie haben ihre Instrumente nach Noten gelernt.

Im professionellen Bereich verteilt ein Arrangeur Noten an alle an der Produktion beteiligten Musiker und Musikerinnen. Hier ist die Kenntnis der Notenschrift definitiv Voraussetzung, wenn man hier mitspielen möchte.

Ein guter Kompromiss ist, wenn man zweigleisig fährt. Für den schnellen Erfolg lernt man das Tabulaturspiel. Als Langzeitprogramm beschäftigt man sich mit den Noten. So kommt der Spaß nicht zu kurz und irgendwann ist man fit für die ganz großen Aufgaben.

Das Wort Tabulatur kommt aus der lateinischen Sprache und bedeutet Tafel. In der italienischen Sprache bedeutet tabulare tabellarisch ordnen.